Im Klartext Blau | Grün | Grau: Die wassersensible Zukunftsstadt www.dwa.de
Impressum Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) Theodor-Heuss-Allee 17 · 53773 Hennef Telefon: +49 2242 872-333 E-Mail: info@dwa.de Internet: www.dwa.de Fotos: Titelbild: Bundesverband GebäudeGrün S. 4: Peggy u. Marco Lachmann-Anke/Pixabay S. 7: K. Winkelmair S. 8: David Mark/Pixabay S. 9: KoPix.de S. 10: Bundesverband GebäudeGrün S. 12: Manuel Wambach S. 14: kie-ker/Pixabay S. 15: Stadt Münster S. 16: © adimas/Fotolia; © dpaint/Fotolia Text: Alexandra Bartschat/Stefan Bröker, DWA Satz: DWA, Hennef Druck: Siebengebirgsdruck, Bad Honnef Gedruckt auf 100% Recyclingpapier © DWA,1. Auflage, Hennef 2020
Inhalt Im Klartext Wasser in der Stadt ...................................................5 Prima Klima Die Rolle der Städte im Ökosystem ...........................6 Handeln für die Zukunft Chancen für Industrie und Gewerbe .........................9 Bürger*innen mit im Boot Was Einzelne tun können ........................................11 Praxisbeispiel wassersensible Stadt Oxford-Kaserne Münster – Vorzeigeprojekt einer wassersensiblen Stadtplanung......................14 Wasserwirtschaft Die DWA und was sie zu bieten hat .........................16 Auf einen Blick Apps, Adressen, Ansprechpartner...........................18 Quellen und Literatur...............................................19
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Die wassersensible Zukunftsstadt | Im Klartext 5 Im Klartext Wasser in der Stadt Menschen zieht es ans Wasser. Ob Wohnung, Urlaub oder Freizeit. Für Städte gilt: Je grüner die Viertel, desto höher ist die Lebensqualität. Das trifft auch auf die Nähe zu Flüssen oder Seen zu. Ob Blankenese in Hamburg, Englischer Garten in München oder Lindenthal in Köln - die Nähe zum Wasser und möglichst viel Grün kennzeichnen die beliebtesten Wohngegenden der deutschen Großstädte. Gleiches gilt für Ferien und freie Zeit. Erholen am Meer oder am Bergsee, joggen durch den Stadtpark, rund um den See, Fahrradfahren am Fluss – der Mensch sucht das Wasser, der Mensch erfreut sich am Grün. Welche Möglichkeiten dies für Kommunen bietet, zeigt das Projekt des Dortmunder Phoenix-Sees. Auf dem Gelände eines ehemaligen Stahlwerks im Stadtteil Hoerde legten die Stadt und die Emschergenossenschaft Anfang des Jahrtausends einen See an, gut 1.200 Meter lang, bis zu 300 Meter breit. Um ihn herum entstanden Wohn- und Gewerbegebiete. Nicht einmal zehn Jahre später zählen diese Areale zu den beliebtesten und attraktivsten Gebieten Dortmunds. Auch ein Großteil der BVBFußballprofis lebt in dieser„grünen Oase im dicht bebauten Ruhrgebiet." (Zitat Bild) Wasser schafft Grün schafft Lebensqualität Wasser muss in der Stadt gehalten, in die Stadt zurückgeholt werden. Grüne Oasen müssen her. Grün und Blau werten Stadtteile optisch auf, reduzieren durch Verdunstungskühlung den Hitzestress an heißen Sommertagen und schützen vor Überflutungen bei heftigem Regen. Der Klimawandel macht es notwendig, Klimainseln zu schaffen. Auch die Überflutungsvorsorge erhält eine immer größere Bedeutung. Eine wassersensible Stadtentwicklung integriert Wasser aktiv in das Stadtbild, steigert die innerstädtische Lebensqualität und dient der Klimaanpassung. Welche Chancen die wassersensible Stadtentwicklung Kommunen, Gewerbe und den Bürgerinnen und Bürgern bietet, zeigt diese Broschüre. Mehr Lebensqualität in der hitze- und überflutungsresilienten Zukunftsstadt – mit Wasser als zentralem, natürlichen Baustein.
6 Prima Klima Die Rolle der Städte im Ökosystem Fakt ist: Wetterextreme nehmen zu. Tropische Tage und Starkregen häufen sich. Für dicht besiedelte Innenstädte ist dies ein Problem. Hitze belastet die körperliche Gesundheit und die Psyche, insbesondere, wenn sich die Luft in den Straßen staut. Vor allem Säuglinge, ältere oder chronisch kranke Menschen sind betroffen. Windschneisen und vor allem Verdunstungskühlung können Abhilfe schaffen. Parks, Gründächer, Wasserflächen und Bäume sind natürliche Wasserspeicher, die Feuchtigkeit abgeben und somit dazu beitragen, die Temperaturen zu senken. Außerdem schützen sie vor Überflutungen bei Starkregen. Kühlung und Hochwasserschutz Fachleute sprechen davon, Städte „wassersensibel“ zu gestalten, also dafür zu sorgen, das Wasser für Trockenphasen in der Stadt zu halten. Regen soll dort, wo er niedergeht, nach dem Prinzip der „Schwammstadt“ gesammelt werden, versickern oder verdunsten. Die wassersensible Stadt hilft also, Bäume und Grünflächen in Hitzeperioden mit Wasser zu versorgen und die Innenstädte abzukühlen. Sie trägt aber auch dazu bei, den Überflutungsschutz zu erhöhen und » Bachläufe trocknen aus, zugleich müssen wir aber auch mit Überschwemmungen umgehen. Wassersensible Anpassungsmaßnahmen sorgen dafür, dass weder ein zu wenig noch ein zu viel an Wasser zum Problem wird. « PROF. DR. ULI PAETZEL DWA-PRÄSIDENT, VORSTANDSVORSITZENDER EMSCHERGENOSSENSCHAFT/LIPPEVERBAND
Die wassersensible Zukunftsstadt | Im Klartext 7 die Folgen von extremen Niederschlägen zu mildern. Wir kennen die Bilder von überschwemmten Straßen, von Häusern, die im Wasser versinken, von ruiniertem Hab und Gut. Ist man in früheren Zeiten davon ausgegangen, dass ein Zuviel an Wasser schnell, zuverlässig und zentral über die Kanalisation abgeleitet wird, sind Expertinnen und Experten heute der Auffassung, dass die anfallenden Wassermassen zwischengespeichert und genutzt werden sollten. Warum Wasser in die Kanalisation fließen lassen, wenn es in der Stadt einfach schön ist, dem Klima gut tut und allen nützt? Gebot der Stunde: Regenwassermanagement Um Überschwemmungen zu vermeiden, muss das Wasser aufgefangen werden, zum Beispiel in oberirdischen Rückhaltebecken, in Mulden oder Zisternen. Grünflächen, sogar Spielplätze können multifunktional genutzt werden, um Wasser temporär zu speichern und damit zugleich eine Überflutung von Gebäuden zu verhindern. Klimaanpassung ist nicht nur eine absolute Notwendigkeit, sondern auch eine Chance. Ein durchdachtes, dezentrales Regenwassermanagement verhindert nicht nur große Schäden, es unterstützt zugleich die Gestaltung einer attraktiven und lebenswerten Zukunftsstadt.
8 » Lange Hitzeperioden mit wenigen Niederschlägen wechseln zukünftig noch häufiger mit Starkregenereignissen. Hohe Temperaturen und schlechte Luft machen Menschen krank, das Stadtgrün leidet unter extremer Trockenheit.« » Eine wassersensible Stadtplanung, die das Potenzial grüner und blauer Infrastrukturen nutzt, macht Städte im Klimawandel robuster und erhöht die Lebensqualität“. « DR. MARTINA WINKER LEITUNGSMITGLIED - INSTITUT FÜR SOZIAL-ÖKOLOGISCHE FORSCHUNG/WASSERINFRASTRUKTUR UND RISIKOANALYSEN (ISOE)
Die wassersensible Zukunftsstadt | Im Klartext 9 Handeln für die Zukunft Chancen für Industrie und Gewerbe Firmen können aktiv an der Gestaltung einer wassersensiblen und klimagerechten Umwelt mitwirken. Möglichkeiten dazu gibt es viele, angefangen bei der Entsiegelung von Parkplätzen und gepflasterten Wegen, der Bepflanzung von Firmenbereichen mit heimischen und standortpassenden Bäumen und Sträuchern bis zur Anlage von Regenversickerungsanlagen und Wasserspeichern, die Niederschläge auffangen und langsam wieder abgeben oder für Trockenzeiten verfügbar halten. Betriebe, die diese Chance ergreifen, leisten nicht nur etwas für die Umwelt, sie sparen auch, über die Reduzierung der Niederschlagswassergebühr. Nicht nur Kommunen können etwas für eine wassersensible Stadtentwicklung tun. Auch für Unternehmen und Organisationen gibt es Möglichkeiten, aus Firmengrundstücken ansprechende Lebensräume zu gestalten. So ein Engagement ist zwar nicht umsonst zu haben, aber eine lohnende Investition! Denn Maßnahmen, die die biologische Vielfalt fördern, kommen nicht nur der Umwelt zugute, auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben etwas davon. Wenn grüne Dächer und Fassaden die Luft verbessern und kleine Teiche oder andere Wasserflächen für angenehmere Temperaturen sorgen, gewinnt der Arbeitsplatz an Attraktivität. Beschäftigte, die sich in ihrem Arbeitsumfeld wohlfühlen, sind motivierter, produktiver und oft auch voller Inspiration. Gibt es dann vielleicht noch einen Firmengarten mit bequemen Sitzgelegenheiten, um die blau-grüne Vielfalt in den Pausen zu genießen, wurde nicht nur etwas für die Umwelt getan.
10 » Durch grüne Dächer, Baumpflanzungen oder mehr Versickerungsflächen können Niederschläge gespeichert werden. Bei Verdunstung tritt ein Kühlungseffekt ein, die Feinstaubbildung wird gesenkt.« DR. GUNTER MANN PRÄSIDENT BUNDESVERBAND GEBÄUDEGRÜN E. V. (BUGG)
Die wassersensible Zukunftsstadt | Im Klartext 11 Bürger*innen mit im Boot Was Einzelne tun können Jeder kann zu einer lebenswerten, wassersensiblen Umwelt beitragen! Blühende Balkone, grüne Dächer und Fassaden, naturnahe Gärten und bunte Hinterhöfe – all das verbessert nicht nur das Klima, sondern auch die Wasserbilanz. Mieterinnen und Mieter dürfen zwar keine baulichen Veränderungen vornehmen, dennoch gibt es Möglichkeiten. Haus- und Wohnungsbesitzern steht eine größere Palette an Maßnahmen zur Verfügung. Im Folgenden stellen wir Ihnen ein paar Beispiele vor. Grüne Oasen schaffen Eine nachhaltige Stadtentwicklung ist auf mehr Grün in den Städten angewiesen. Da Platz jedoch knapp ist, liegt es nahe, bisher ungenutzte Flächen, Dächer und Gebäudefassaden für die Begrünung heranzuziehen. Pflanzen saugen Regen wie ein Schwamm auf und geben die Feuchtigkeit nach und nach wieder ab. In heißen Zeiten entsteht eine angenehme Verdunstungskühle. Diese trägt dazu bei, dass sich die Temperatur der überhitzten Luft um ein paar Grad verringert. Efeu oder wilder Wein binden zudem Feinstaub, Stickoxide und das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Bepflanzte Dächer und Fassaden sind also nicht nur schön, sie helfen aktiv, das Klima zu verbessern. Begrünte Hausfassaden wirken im Sommer kühlend, im Winter helfen sie, die Wärme im Haus zu halten. Das spart Heizkosten. Auf einen neuen Anstrich der Außenwände kann verzichtet werden. Wer sein Haus begrünen möchte, jedoch nicht mit Pflanzen, die sich von selbst an der Fassade halten, kann Alternativen wählen. Vor die Wand montierte Kletterhilfen oder Großpflanzgefäße, die vor den Fenstern angebracht werden, erzielen einen ähnlichen Effekt. In den Fassadenbehältern kann man fast alles pflanzen, Stauden, Sträucher, sogar Minibäume. Weil Fassadenbegrünung das Mikroklima verbessert, vergeben manche Kommunen Fördergelder. Die Grünflächen-, Umwelt- oder Bauämter der Verwaltungen können hier behilflich sein.
12 Aus Böden werden Biotope Klimaänderungen beeinflussen die Böden, Bodenveränderungen wiederum das Kli- ma. Nicht nur Pflanzen speichern Wasser, Böden ebenfalls. Wie bei Gründächern und begrünten Hausfassaden auch, kühlt sich die Luft durch die Umwandlung von im Boden befindlichem Nass in Wasserdampf ab. Somit beeinflusst die Qualität der Böden das lokale und regionale Klima. Wo Regen ins Grundwasser versickern und verdunsten kann, ist der natürliche Wasserkreislauf geschlossen. Wer die Hitzevorsorge im eigenen Wohnumfeld verbessern und damit die Temperaturen senken möchte, muss dafür sorgen, dass die Böden Wasser besser aufsaugen können. Es gilt, Erosion zu verhindern, die Beschaffenheit des Bodens zu optimieren und die Artenvielfalt zu fördern. Schotter- und Steingärten sind eindeutig schlecht fürs Mikroklima. Wasser kann hier kaum oder gar nicht versickern und somit auch nicht verdunsten. Es entstehen regelrechte Hitzeinseln, denn graue Flächen heizen sich stärker auf als grüne, im Schnitt um drei bis vier Grad. Kies und Schotter bieten aber auch Vögeln und Insekten weder Lebensraum noch Nahrung. Bepflanzte Flächen haben im Gegensatz zu Steinwüsten aber noch einen bereits angesprochenen Vorteil: Bei Starkregen speichern sie Wasser. Damit entlasten sie die Kanalisation und vermindern das Risiko von Überschwemmungen. Eine wassersensible Stadtgestaltung berücksichtigt im Übrigen nicht nur, dass Projekt VertiKKA Es sind bereits Fassadenbegrünungsmodule verschiedener Hersteller auf dem Markt. Was fehlt, sind innovative Lösungen, die die Bewässerung der Pflanzen automatisieren. Daher fördert das Bundesforschungsministerium zurzeit das Projekt „Vertikale KlimaKlärAnlage zur Steigerung der Ressourceneffizienz und Lebensqualität in urbanen Räumen“, kurz VertiKKA. Ziel ist es, ein Produkt zu entwickeln, das gereinigtes Regenwasser nutzt, um für eine durchgehende Bewässerung zu sorgen. Es soll flächendeckend eingesetzt werden können, um Hitzestress und Lärm zu mindern, Feinstaub und Schadstoffe zu binden, Ressourcen zu schonen und damit zu einer verbesserten Lebensqualität in den Städten beizutragen.
Die wassersensible Zukunftsstadt | Im Klartext 13 Wasser gesammelt, gespeichert und nach und nach wieder abgegeben wird. Ein sensibler Umgang mit Wasser heißt auch, die Ressource Wasser zu schonen, damit nicht mehr Wasser verbraucht wird, als zur Verfügung steht. Neben dem Schutz der heimischen Vegetation wird es also auch darum gehen, die Gartenbepflanzung sukkzessive an das veränderte Klima anzupassen, durch hitzeresistente Pflanzen, die auch Trockenperioden gut überstehen. Abwasserrecycling für Fischzucht und Gemüseanbau Eine weitere Komponente, ressourcenschonend mit Wasser umzugehen, die es zugleich ermöglicht, eigenes Gemüse anzubauen und Gebühren zu sparen, möchten wir hier vorstellen. Es geht darum, Abwasserteilströme aus einzelnen Gebäuden oder auch quartiersweit aufzubereiten und wiederzuverwenden – als Badewasser oder zur Toilettenspülung, aber auch zur Fischzucht und zum Pflanzenanbau. Noch ist diese Methode nicht flächendeckend umsetzbar, sie zeigt aber den Weg in die richtige Richtung. Durch Waschmaschinen, Geschirrspüler oder Körperhygiene gebrauchtes Wasser, sogenanntes Grauwasser, verschwindet zumeist im Abfluss, um dann in einer zentralen Kläranlage aufbereitet zu werden. Ebenso das Wasser aus den Toiletten, im Fachjargon Schwarzwasser genannt. Mit nachhaltiger Kreislaufwirtschaft hat das wenig zu tun, muss das Wasser auf diese Weise doch weite Wege zurücklegen, obwohl es vor Ort direkt getrennt und wieder genutzt werden könnte. Recyclingprozesse lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen auch lokal umsetzen. Zurzeit ist es überwiegend so: Lebensmittel werden weit weg vom Konsumenten angebaut. Fische stammen zumeist aus Aquakulturen aus Teichen oder irgendwo am Meer. Aber es geht auch anders. Mittlerweile ist es kein Problem mehr, Nahrungsmittel mitten in der Stadt zu produzieren und hier sogar Fische zu züchten. Dafür wird das Wasser genutzt, das in Gebäuden anfällt und vor Ort gereinigt wird. Der Vorgang, hinter dem eine komplexe Technik steckt, ist vom Prinzip her einfach: Gewächshäuser und Fischfarmen werden auf Hausdächern oder in Gebäudenähe angelegt und mit Grau- und Schwarzwasser aus dem Gebäude versorgt. Konkret sieht das so aus: Das anfallende Wasser wird in biologischen Prozessen aufbereitet, hygienisiert und wiederverwendet. Das recycelte Wasser besitzt Badequalität, ganz ohne Einsatz chemischer Mittel. Daher kann es auch bedenkenlos zur Fischzucht genutzt werden. Die Ausscheidungen der Fische liefern wiederum den Dünger für den Pflanzenanbau. Die Wurzeln von Endivi-
14 ensalat oder Kohl ragen ins Wasserbecken der Fische und werden auf diese Weise, ganz ohne Erde, mit den notwendigen Nährstoffen versorgt. Das aufbereitete Grauwasser kann aber nicht nur zur Nahrungsmittelproduktion und zur Fischzucht verwendet werden, es eignet sich auch als Brauchwasser zur Toilettenspülung, zum Wäschewaschen und zur Bewässerung von Grünanlagen und Gärten. Auch das Schwarzwasser kann auf weitere Art genutzt werden. Entsprechend aufbereitet, lässt sich daraus Flüssigdünger herstellen. Er enthält unter anderem die für das Wachstum von Pflanzen wichtigen Elemente Stickstoff, Phosphat und Kalium und kann daher im Pflanzenanbau eingesetzt werden. Münsteraner kennen Regen. Auch längeren und andauernden Regen. Was aber am 28. Juli 2014 in wenigen Stunden vom Himmel fiel, war auch für erfahrene Münsteraner außergewöhnlich. Fast 300 Liter Regen fielen pro Quadratmeter innerhalb von sieben Stunden fast flächendeckend über dem Münsteraner Stadtgebiet – bis heute deutschlandweit ein absoluter Spitzenwert. Zum Vergleich: Normalerweise beläuft sich der Niederschlag in Münster auf durchschnittlich rund 800 Liter pro Quadratmeter im gesamten Jahr. Die Überflutungen 2014 führten zu Schäden in dreistelliger Millionenhöhe, selbst Todesopfer waren zu beklagen. In der Folge gewann die Klimaanpassung, insbesondere die Überflutungsvorsorge, in Münster eine deutlich höhere Bedeutung, der Aspekt Wasser wurde zum wesentlichen Baustein bei der Stadtplanung. Eine besondere Gelegenheit bot die Neubebauung der ehemaligen Oxford-Kaserne Praxisbeispiel wassersensible Stadt Oxford-Kaserne Münster – Vorzeigeprojekt einer wassersensiblen Stadtplanung
Die wassersensible Zukunftsstadt | Im Klartext 15 am Rand der Innenstadt. Aufgrund der Erfahrungen aus dem Starkregen 2014 wurde die Regenwasserbewirtschaftung direkt in den Planungsprozess integriert. Das war neu. Zumeist folgt dies erst in einem späteren Schritt. Neu war auch, dass die wasserwirtschaftlichen Anlagen nicht versteckt unter der Erde angelegt werden sollten, sondern sichtbar, als städtebauliches Gestaltungselement. In enger Abstimmung mit der Bevölkerung. Bereits im Vorfeld hatten die Planer gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern ein entsprechendes Leitbild erarbeitet. Bei der Planung wurde viel Wert darauf gelegt, die Flächenversiegelung zu reduzieren und weitgehend natürliche Wasserkreisläufe zu erhalten. Fast die Hälfte des Areals wird unversiegelt sein, rund ein Drittel befestigt und 20 Prozent bebaut. Wo möglich, werden offenporige Beläge verwendet, die im gesamten Gebiet die lokale Zwischenspeicherung oder Versickerung von Niederschlägen gewährleisten. Hierdurch wird der Wasserabfluss in die Kanalisation reduziert und zugleich die Gefahr von Überschwemmungen nach Starkregen gemindert. Die Oberflächenentwässerung stellt im gesamten Bebauungsprozess ein Leitthema dar. Zahlreiche Versickerungs- und Verdunstungsmulden fangen das Regenwasser auf, speichern es und lassen es - je nach Beschaffenheit des Bodens - langsam verdunsten oder versickern. Die Mulden, bepflanzt mit Gräsern und Schilfen, verwandeln sich dadurch in temporäre Feuchtbiotope, die der Natur dienen. Attraktiv anzusehen sind sie auch. Um die versiegelten Flächen im neuen Quartier so gering wie möglich zu halten, müssen die dortigen Flachdächer zu mindestens 75 Prozent begrünt sein. Dachterrassen dürfen 25 Prozent der gesamten Dachfläche nicht übersteigen. Das Beispiel Oxford-Kaserne zeigt eindrucksvoll, wie Starkregenvorsorge auf der einen Seite und Lebens- und Wohnqualität auf der anderen sinnvoll miteinander kombiniert werden können. Und dass wasserwirtschaftliche Anlagen keinesfalls zwingend unter der Erde versteckt werden müssen, sondern als belebendes Element in das Stadtbild integriert werden können.
16 Wasserwirtschaft Die DWA und was sie zu bieten hat Hier möchten wir gern noch ein Wort zur DWA sagen, der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, die Sie vielleicht noch gar nicht kennen?! Wir sind ein technisch-wissenschaftlicher Fachverband, der sich für saubere und natürliche Gewässer stark macht, sich um Hochwasser und Starkregen kümmert, sich für einen funktionierenden Wasserkreislauf und für eine nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung einsetzt. Vor allem ist es aber unsere Aufgabe, sich mit dem Thema Abwasser in seinen unterschiedlichsten Facetten zu beschäftigen. Wir geben ein Regelwerk heraus, in dem wir technische Standards formulieren, die Kommunen, Ingenieurbüros und ganz allgemein Fach- und Führungskräften aus der Branche helfen, die Wasserwirtschaft sicher und nachhaltig zu gestalten. Die DWA hat rund 14.000 Mitglieder und verfügt über ein breites Netzwerk von ehrenamtlichen Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis, die durch ihr Wissen in ihrem jeweiligen Fachgebiet dazu beitragen, innovative Lösungen zu finden, zu dokumentieren und zu verbreiten. Die DWA übernimmt Verantwortung für sauberes Wasser, intakte Böden und reine Luft.
Die wassersensible Zukunftsstadt | Im Klartext 17 Starkregen. So sorgen Sie vor! Ein Unwetter kann jeden treffen. Schnell sind Keller voll gelaufen, Hausrat ist zerstört. Hier erhalten Sie Hinweise, wie Sie vorsorgen können. 15 QR-Codes öffnen Videos zur Starkregenvorsorge, zum Beispiel über die Sicherung von Eingängen und Lichtschächten, über die Regenwasserversickerung oder die Abdichtung von Außenwänden. Hochwasser: Überflutungen und Starkregen Überflutungen sind nach plötzlichem Starkregen keine Seltenheit. Hier finden Sie Hinweise zu kommunalen Verantwortungsbereichen, aber auch Tipps für eine Risikoanalyse für Ihr Haus, Anregungen für eine mobile Bauvorsorge und Ratschläge für das richtige Verhalten im Ernstfall. Was zu tun ist, wenn der Schaden eingetreten ist, wird im Flyer ebenfalls angesprochen. Regenwasser auf dem Grundstück In Deutschland fallen pro Jahr durchschnittlich fast 800 Liter Regenwasser auf einen Quadratmeter Boden. Ein zunehmendes ökologisches Bewusstsein, vermehrte Hochwasser und Dürreperioden haben zum Nachdenken über den Umgang mit Niederschlägen geführt. Wie man das Wasser auf dem eigenen Grundstück nutzen kann, zeigt diese Broschüre. Hochwasser: Überflutungen und Sturzfluten Staat, Länder und Kommunen müssen durch eine angemessene Flächen- und Informationsvorsorge zum Schutz vor Hochwasser und Folgen von Starkregen beitragen. Wie dies geschieht, ist Inhalt dieser Broschüre. Sie enthält außerdem jede Menge Tipps, was Einzelne tun können, um sich gegen Überflutungen zu wappnen. u. v. m. unter www.dwa.de Über die DWA
18 Auf einen Blick Apps, Adressen, Ansprechpartner WarnWetter App des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für Deutschland mit Niederschlagsradarinformationen, Wetterwarnungen sowie Warnungen zu Hochwasser, Sturmfluten und Lawinen Wetter-Apps In Online-Shops gibt es zudem viele kommerzielle Apps, die Regenradardaten für ganz Deutschland zur Verfügung stellen. Nina App des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit Bevölkerungsschutz-Warnungen, Wetterwarnungen und Hochwasserinformationen Berliner Regenwasseragentur Sie fördert die Umsetzung dezentraler Lösungen im Umgang mit Regenwasser, zum Beispiel bei der Anlage von Gründächern oder der Vermeidung weiterer versiegelter Flächen Bundesverband GebäudeGrün Er bietet Broschüren und Serviceleistungen rund um die Dach- und Fassadenbegrünung an, für Städte, aber auch für Bürgerinnnen und Bürger Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) Sie fördert Projekte zum Schutz der Umwelt, insbesondere mit Blick auf die mittelständische Wirtschaft Grünflächen-, Umwelt- und Bauämter der kommunalen Verwaltungen Sie geben Auskunft zu Fördermöglichkeiten und rechtlichen Fragen Verband für Bauwerksbegrünung Er beschäftigt sich mit unterschiedlichen Arten der Begrünung von Gebäuden. Dazu zählt auch die Einhaltung technischer Qualitätsstandards
Die wassersensible Zukunftsstadt | Im Klartext 19 Quellen und Literatur • Ria Müller/ Franziska Monhaupt: Stadtgrün ist weder Luxus noch Verhandlungsmasse, 2019, Hg.: Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Projekt: Stadtgrün wertschätzen • www.business-and-biodiversity.de > W asserwirtschaft und biologische Vielfalt" • http://heatresilientcity.de • www.naturnahefirmengelaende.de • www.rettet-den-vorgarten.de • www.stadtundgruen.de • www.transforming-cities.de > Firmengelände naturnah gestalten • www.umweltbildung.at/cms/praxisdb/ dateien/481_pdf.pdf (2019) • www.wasser-in-der-stadt.de • Inke Wißmann, Vera Middendorf, Matthias Schulz, Susanne Veser: VertiKKA – Multifunktionale Fassadenbegrünungsmodule für die Städte der Zukunft, KA Korrespondenz Abwasser, 12/2019, S. 989 - 994 • www.kommbio.de • www.stadtgrün-naturnah.de • Klaus W. König: Aquaponik nutzt Grauwasser, in: wwt Wasserwirtschaft. Wassertechnik, 9/2019, S. 32 – 38 • Kommunale Überflutungsvorsorge. Planer im Dialog, 2018, https://difu.de/publikationen • www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/wetter-hitze-macht-aggressiv-sagt-ein-umweltpsychologea-1275656.html • www.umwelt-im-unterricht.de/hintergrund/boden-als-wasserspeicherund-lebensraum-fuer-pflanzen-undtiere • www.konvoy-muenster.de • Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL): Richtlinien für die Planung, Ausführung und Pflege von Fassadenbegrünungen • www.gebaeudegruen.info/service/ downloads/dach-fassaden-innengruen Zahlreiche Broschüren und Internetseiten haben wertvolle Informationen für diese Broschüre geliefert. Besonders zu nennen sind:
Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) Theodor-Heuss-Allee 17 · 53773 Hennef Telefon: +49 2242 872-333 · Fax: +49 2242 872-100 info@dwa.de · www.dwa.de www.dwa.de
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