Hennef/Berlin. Unterwegs in der Stadt, die Blase drückt, aber keine Toilette in Sicht? Frei zugängliche Toiletten sind häufig rar oder laden aufgrund des Zustandes nicht zur Benutzung ein. Dies will die Europäische Union ändern. Mit der Novellierung der Kommunalabwasserrichtlinie fordert die EU die Kommunen in allen Mitgliedstaaten auf, einen freien Zugang zu Toiletten im öffentlichen Raum jederzeit zu gewährleisten. Ein klarer Nutzen für alle Bürgerinnen und Bürger, aber auch eine gewaltige Herausforderung für die Kommunen. Eine mögliche Lösung können abwasserlose und ressourcenorientierte Toiletten darstellen. Entsprechende Systeme können autark von der Infrastruktur aufgestellt werden und ermöglichen die Nutzung der enthaltenden Wertstoffe, betonen die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) und das Netzwerk für nachhaltige Sanitärsysteme (NetSan) anlässlich des Welttoilettentages der Vereinten Nationen, der in diesem Jahr unter dem Motto „Wir werden immer die Toilette brauchen“ steht.
„Trockentrenntoiletten benötigen weder einen Stromanschluss noch Zugang zur Kanalisation. Sie können schnell und ohne Anschluss an die Infrastruktur installiert werden und reduzieren die Investitionskosten für eine sichere Sanitärversorgung im öffentlichen Raum. Entsprechende Systeme vereinen viele Vorteile für Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen“ (DWA-Vorständin Dr. Lisa Broß)
„Menschliche Ausscheidungen enthalten große Mengen Phosphor und Stickstoff, die die Landwirtschaft dringend braucht. Toiletten sind somit eine wichtige Rohstoffquelle für eine Kreislaufwirtschaft mit lokaler Wertschöpfung“ (Anna Calmet, Vorstandsfrau bei NetSan)
Die Europäische Union hat Anfang 2025 die Abwasserwirtschaft mit der Novellierung der Kommunalabwasserrichtlinie auf neue Füße gestellt. Erstmalig widmet sich die EU mit der Novellierung der Sanitärversorgung im öffentlichen Raum. Artikel 19 der Kommunalabwasserrichtlinie fordert von den Kommunen „..die Errichtung einer ausreichenden Zahl von sanitären Einrichtungen im öffentlichen Raum…zu denen kostenloser und, insbesondere für Frauen, sicherer Zugang besteht“. Bis Anfang 2029 müssen die Kommunen entsprechende Vorkehrungen getroffen haben.
Die Forderung der EU gilt für Siedlungsgebiete ab 10.000 Einwohnern, mit einigen Erleichterungen auch bereits für Siedlungsgebiete ab 5.000 Einwohnern. Für die Mehrheit der Kommunen stellt die sichere und kostenlose Sanitärversorgung im öffentlichen Raum eine gewaltige Herausforderung dar. Trockentrenntoiletten als ein Beispiel für ressourcenorientierte Sanitärsysteme vereinen die Vorteile Unabhängigkeit von der gegebenen Infrastruktur mit der möglichen Nutzung der im Abwasser enthaltenden Rohstoffe. Trockentrenntoiletten sind innovativ, aber nicht völlig neu. Positive Praxiserfahrungen liegen in vielen Städten vor.
In Berlin startete 2023 ein Pilotprojekt mit 24 öffentlichen Trockentrenntoiletten und Urinalen, die vor allem in Park- und Grünanlagen stehen und kostenlos zugänglich sind. Sie benötigen weder einen Stromanschluss noch Zugang zur Kanalisation; Leichtbauweise und Unabhängigkeit vom Kanalnetz ermöglichen eine rasche Installation. Die Ergebnisse einer Evaluation waren sehr positiv: Funktionsfähigkeit, Attraktivität, Sauberkeit und Geruch erhielten von den 2000 Befragten gute Noten. Die festen Hinterlassenschaften werden im Rahmen eines Forschungsprojekts hygienisiert, aufbereitet und zu Kompost verarbeitet. Aus dem Urin entsteht ein hochwertiger Dünger, der in Deutschland allerdings bisher nicht zugelassen ist – anders als in der Schweiz, Österreich und Frankreich.
Auch der Leipziger Stadtrat hat sich im vergangenen März einstimmig für kostenlos nutzbare, semi-stationäre Trockentrenntoiletten entschieden, die den Standort wechseln und so effizient auf Veränderungen im öffentlichen Raum reagieren können. Für die Nutzung der enthaltenden Wertstoffe im Abwasser plant Leipzig eine kommunale Verwertungsanlage. Das Konzept orientiert sich an den Zielen der Nationalen Wasserstrategie und der Nationalen Kreislaufstrategie. „Unser Ansatz ist nicht nur kosteneffizient und umweltfreundlich, sondern aus sozialer Perspektive auch gerecht und inklusiv“, betont Heiko Rosenthal, der zuständige Umweltbürgermeister in Leipzig.
Trockentrenntoiletten eignen sich für den urbanen Raum und ländliche Regionen. Die Gemeinde Hartenstein, gelegen im fränkische Pegnitztal, hat auf einem Wanderparkplatz eine barrierefrei Trockentrenntoilette aufgebaut. „Als kleinere Kommune können wir hier sowohl gute Toiletten anbieten als auch wirtschaftlich handeln. Und das Feedback der Bewohner, Touristen und in der Gemeinde spricht voll für solche modernen Alternativen,“ bilanziert der Bürgermeister von Hartenstein Hannes Loos.
UN-Welttoilettentag
Die Welttoilettenorganisation hat den Welttoilettentag 2001 erstmals ausgerufen. 2013 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen einstimmig den 19. November zum Welt-Toiletten-Tag der Vereinten Nationen erklärt. Bereits seit 2010 ist der Zugang zur Sanitärversorgung ein von den Vereinten Nationen anerkanntes Menschenrecht, gleiches gilt für die Versorgung mit Trinkwasser. Sowohl Trinkwasserversorgung als auch Zugang zu Sanitärversorgung sind zugleich wesentliche Elemente der Ende 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Sustainable Development Goals.
Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) setzt sich intensiv für die Entwicklung einer sicheren und nachhaltigen Wasserwirtschaft ein. Als politisch und wirtschaftlich unabhängige Organisation arbeitet sie fachlich auf den Gebieten Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall und Bodenschutz.
In Europa ist die DWA die mitgliederstärkste Vereinigung auf diesem Gebiet und nimmt durch ihre fachliche Kompetenz bezüglich Regelsetzung, Bildung und Information der Öffentlichkeit eine besondere Stellung ein. Die rund 14 000 Mitglieder repräsentieren die Fachleute und Führungskräfte aus Kommunen, Hochschulen, Ingenieurbüros, Behörden und Unternehmen.
Das Netzwerk für nachhaltige Sanitärsysteme e.V. (NetSan) engagiert sich für eine langfristig tragfähige, ökologische Kreislaufwirtschaft. Ziel ist es, mit Hilfe von ressourcen-orientierten Toilettensystemen abwasserlose Infrastrukturen zu schaffen, die wertvolles Trinkwasser sparen. Zugleich sollen die wertvollen Nährstoffe aus menschlichen Exkrementen wie Stickstoff und Phosphor für die Landwirtschaft zurückgewonnen werden. Dabei haben Sicherheit und Hygiene höchste Priorität. Im NetSan organisieren sich Menschen aus Wissenschaft und Praxis, kleinen und mittleren Unternehmen sowie interessierte Einzelpersonen. (www.netsan.org)
Pressekontakte:
Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA)
Stefan Bröker, Tel. +49 2242 872-105, broeker@dwa.de
Netzwerk für nachhaltige Sanitärsysteme (NetSan)
Anna Calmet, Tel. 0157-30205120, presse@netsan.org
Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.
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