Kommunalabwasserrichtlinie: Verschärfung der Phosphorvorgaben äußerst kritisch

EU-Parlament stellt Weichen für erweiterte Herstellerverantwortung

Hennef. Die erweiterte Herstellerverantwortung steht vor dem Einzug in das europäische Wasserrecht. Gleichzeitig drohen der Abwasserwirtschaft aber deutlich strengere und kaum einzuhaltende Vorgaben zum Phosphorabbau auf Kläranlagen. Das EU-Parlament hat am 5. Oktober 2023 einen entsprechend modifizierten Entwurf der EU-Kommission zur Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie angenommen. Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) begrüßt, dass mit der erweiterten Herstellerverantwortung das Verursacherprinzip bei Spurenstoffen weitgehend umgesetzt werden soll. Die Verschärfungen beim Phosphorabbau sieht der technisch-wissenschaftliche Spitzenverband aber äußerst kritisch. „Der vorgesehene Konzentrationswert im Ablauf von 0,2 mg/l Phosphor kann – wenn überhaupt – nur mit erheblichen Investitionen in Filtrationsanlagen eingehalten werden. Weitere erhebliche Investitionen werden durch das ausgegebene Ziel der Energieneutralität der Abwasserwirtschaft folgen. Insgesamt wird mit dieser Richtlinie ein Investitionsvolumen mindestens im hohen einstelligen Milliarden-Bereich in Deutschland ausgelöst – steigende Abwassergebühren werden automatisch die Folge sein“, betont DWA-Präsident Prof. Uli Paetzel. Die DWA fordert eine Anhebung des Grenzwertes auf 0,4 mg/l Phosphor, um auch den Anteil des technisch nicht fällbaren Phosphors zu berücksichtigen.

Die EU-Kommission hat bereits im Oktober 2022 einen Entwurf zur Novellierung der seit 1991 geltenden EU-Kommunalabwasserrichtlinie vorgelegt. Mit der Novellierung will die Kommission die Mindestanforderungen für die Abwasserbehandlung in den Mitgliedstaaten an die aktuellen Rahmenbedingungen anpassen und vor allem die Ziele des Green-Deal, insbesondere Schadstofffreiheit und Energieneutralität, in das Wasserrecht integrieren. Kernpunkte sind die weitergehende Abwasserbehandlung für anthropogene Spurenstoffe, die erweiterte Herstellerverantwortung in den Bereichen Humanarzneimittel und Kosmetika sowie die Energieneutralität von Kläranlagen. Bei der ersten Lesung hat das EU-Parlament jetzt zwei wesentliche Modifikationen des Umweltausschusses am ursprünglichen Novellierungsentwurf der EU-Kommission angenommen: die Aufweichung der erweiterten Herstellerverantwortung sowie eine deutliche Verschärfung der Ablaufwerte für Phosphor.

Mit der erweiterten Herstellerverantwortung will die EU Hersteller und Inverkehrbringer von Humanarzneimitteln und Kosmetika in die Pflicht nehmen, die Kosten für den Abbau dieser Stoffe auf den Kläranlagen zu übernehmen; nach dem Kommissionsentwurf sollten die Unternehmen die vollen Kosten der vierten Reinigungsstufe – Investition und Betrieb – tragen. Das EU-Parlament hat diesen Anteil jetzt auf 80 Produzent reduziert, die restlichen 20 Prozent sollen über die Mitgliedsstaaten finanziert werden. Dass die aus dem Abfallrecht bekannte erweiterte Herstellerverantwortung grundsätzlich Einzug in das Wasserrecht hält, sieht die DWA äußerst positiv. „Die Reduzierung der Kostenübernahme auf 80 Prozent bedeutet aber eine deutlich schwächere Anreizwirkung für die Hersteller, auf gewässerschonendere Alternativstoffe zu setzen oder diese zu entwickeln“, unterstreicht Prof. Uli Paetzel.

Anforderungen an Phosphorelimination kaum realisierbar

Äußerst kritisch stuft die DWA hingegen die vom EU-Parlament geplante deutliche Verschärfung der Vorgaben zum Phosphorabbau auf den Kläranlagen ein. Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von mehr als 100 000 Einwohnerwerten sollen sowohl einen Konzentrationswert von 0,2 mg/l einhalten als auch mindestes 93 Prozent des Phosphors im Zulauf der Kläranlagen eliminieren. Für Kläranlagen zwischen 10 000 und 100 000 Einwohnerwerten soll entweder der Konzentrationswert oder die Eliminationsrate gelten. Der Abbau von 93 Prozent entspricht in etwa dem aktuellen Leistungsniveau der deutschen Abwasserwirtschaft. Ein Konzentrationswert von 0,2 mg/l Phosphor wird derzeit aber noch deutlich überschritten – 2022 im Bundesmittel 0,53 mg/l Phosphor – und kann nur über zusätzliche Filtrationsanlagen und einem erhöhten Einsatz von Fällmitteln in Form von Eisen- oder Aluminiumsalzen erreicht werden. Diese Nachrüstung ist kosten-, energie- und platzintensiv und erfordert hohe Investitionen aufgrund der weitreichenden Umgestaltung der Anlagenkonfiguration, zudem sind Fällmittel aktuell und auch mittelfristig auf den Weltmärkten sehr knapp und sehr teuer. Die steigenden Kosten müssten Bürger, Industrie und Gewerbe über die Abwassergebühren tragen, die von der EU-Kommission angestrebte Energieneutralität der Abwasserwirtschaft wäre definitiv gefährdet und der verstärkte Einsatz von Fällmitteln würde die Salzeinleitungen in die Gewässer erhöhen – aus gewässerökologsicher Sicht sehr problematisch.

Besonders kritisch ist aus Sicht der DWA, dass der vorgesehene Parameter „Total Phosphorus“ auch Phosphonate im Abwasser beinhaltet. Der Anteil der Phosphonate im Abwasser liegt je nach örtlichen Bedingungen zwischen 0,1 bis 0,3 mg/l. Bei dem vom EU-Parlament geplanten maximalen Konzentrationswert von 0,2 mg/l müssten die Betreiber der Abwasseranlagen 100 Prozent des technisch fällbaren Phosphors aus dem Abwasser eliminieren – mit dem entsprechenden technischen Aufwand und einem erheblichen Einsatz an Fällmitteln. Liegt der örtliche Anteil technisch nicht fällbarer Phosphonate bei über 0,2 mg/l, wären die Vorgaben nicht einzuhalten. Die DWA plädiert eindringlich dafür, die Phosphonate bei den Vorgaben zu berücksichtigen und den Konzentrationswert auf mindestens 0,4 mg/l zu erhöhen.

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