Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.
Hennef. „Mit der Einführung der Erweiterten Herstellerverantwortung in die Kommunalabwasserrichtlinie nimmt die Europäische Union die Hersteller von Arzneimitteln und Kosmetika endlich in die Pflicht und stärkt das Verursacherprinzip auch im Wasserrecht. Im Idealfall führt dies nicht nur zu einer gerechten Verteilung der Kosten, sondern erzeugt auch eine Lenkungswirkung in Richtung Vermeidung wassergefährdender Stoffe an der Quelle“, betont Prof. Uli Paetzel, Präsident der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA), anlässlich der Veröffentlichung der DWA-Stellungnahme zur Novellierung der Kommunalabwasserrichtlinie. Den Novellierungsentwurf der EU-Kommission sieht die DWA in weiten Teilen positiv, der Schutz der Gewässer wird durch die neuen Regelungen deutlich ausgebaut und mit dem Instrument des „Abwassermonitorings“ können wichtige Erkenntnisse für den Gesundheitsbereich gewonnen werden. „In vielen Bereichen, wie beispielsweise der verpflichtenden weitergehenden Abwasserbehandlung auf allen größeren Kläranlagen oder der dort auch vorgesehenen Energieneutralität, besteht aber auch noch erheblicher Diskussionsbedarf, um den Schutz der Gewässer effizient und kostenbewusst zu erreichen“, mahnt Paetzel an.
Die aktuelle EU-Kommunalabwasserrichtlinie ist bereits seit 1991 in Kraft. Mit dem vorliegenden Novellierungsentwurf möchte die EU-Kommission die Mindestanforderungen für die Abwasserbehandlung in den Mitgliedstaaten an die aktuellen Rahmenbedingungen anpassen und vor allem die Ziele des Green Deal, insbesondere die Schadstofffreiheit von Luft, Wasser und Boden, in das Wasserrecht integrieren. Kernpunkte des Novellierungsentwurfs sind die weitergehende Abwasserbehandlung für anthropogene Spurenstoffe, die Erweiterte Herstellerverantwortung in den Bereichen Humanarzneimittel und Kosmetika, die langfristige Energieneutralität von Kläranlagen sowie die Erstellung von Abwasserbewirtschaftungsplänen.
Weitergehende Abwasserbehandlung und Erweiterte Herstellerverantwortung
Die EU-Kommission fordert den Ausbau mit 4. Reinigungsstufen zur Entfernung von Spurenstoffen für alle Kläranlagen ab 100 000 Einwohnerwerten bis 2035. Zudem müssen bis 2040 auch Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von 10 000 Einwohnerwerten mit einer vierten Reinigungsstufe ausgestattet sein, wenn die Konzentration von Mikroschadstoffen ein Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstellt.
Der Eintrag von persistenten, mobilen und toxischen Stoffen in den Wasserkreislauf muss so weit wie möglich vermindert werden. Die weitergehende Abwasserbehandlung ist ein wichtiger Baustein zur Verminderung des Spurenstoffeintrags in die Gewässer. Aufgrund des hohen finanziellen und sehr hohen energetischen Aufwands der weitergehenden Abwasserbehandlung sollte diese aber nicht flächendeckend rechtlich gefordert werden, sondern nur überall dort, wo es gewässer- oder nutzungsbezogen sinnvoll ist. Ein risikobasierter Ansatz, den der Richtlinienentwurf vorsieht, ist hierfür ein guter Weg. Der Novellierungsentwurf ist aber bezüglich der Risikoeinstufung der Gewässer und Anlagen noch sehr unscharf. Zudem sieht die DWA die Gefahr, dass die Vorgaben der Kommunalabwasserrichtlinie in Kombination mit anderen Regelungen wie der Umweltqualitätsnormenrichtlinie zu einer flächendeckenden Verpflichtung führen können. Erforderlich ist hier ein praxistaugliches Gesamtkonzept über die Kommunalabwasserrichtlinie hinaus. Die weitergehende Abwasserbehandlung darf dabei nur eine Säule sein, die Verminderung der Einträge an der Quelle muss ebenfalls im Fokus stehen.
Die von der EU geplante „Erweiterte Herstellerverantwortung“ ist ein ganz zentraler Punkt, wenn rechtlich verpflichtende weitergehende, sog. 4. Reinigungsstufen vorgesehen werden. Die Hersteller von Humanarzneimitteln und Kosmetika sollen laut EU die volle Deckung des Aufwands für Investition, Betrieb und Überwachung einer 4. Reinigungsstufe übernehmen. Das Prinzip eines produktbezogenen Umweltschutzes ist im europäischen Abfallrecht etabliert, eine erweiterte Herstellerverantwortung auch im Wasserrecht einzuführen, ist folgerichtig. Es ist aber sicherzustellen, dass die Regelung technologie- bzw. verfahrensoffen gestaltet wird und nicht Verfahren zur Spurenstoffelimination deshalb aus einer Kostenübernahmeverpflichtung herausfallen, weil sie neben Spurenstoffen auch in anderen Bereichen die Reinigungsleistung verbessern. Im Zweifel ist eine anteilige Kostenübernahme zu regeln. Hier sieht die DWA Klarstellungsbedarf.
Optimierte Klimabilanz statt Energieneutralität
Zeitlich gestaffelt nach der Größe fordert die EU-Kommission in der Novelle die Energieneutralität kommunaler Kläranlagen auf nationaler Ebene bis 2040. Die deutsche Wasserwirtschaft arbeitet seit Jahren sowohl an der Erhöhung der energetischen Effizienz der Anlagen als auch am Ausbau der Eigenenergieerzeugung, vorrangig über die Klärgasverwertung in Blockheizkraftwerken. Aktuell liegt die Eigenerzeugung bei 42 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs der Anlagen. Aufgrund der steigenden Reinigungsanforderungen – Spurenstoffelimination und Phosphorrecycling – wird der Energiebedarf der Kläranlagen zukünftig weiter zunehmen. Weder die bestehende noch die zukünftige Energielücke werden sich mit PV- und Windkraftanlagen sowie Wärmerückgewinnung auf allen Anlagen schließen lassen. Die geforderte Energieneutralität darf aber nicht auf Kosten der Reinigungsleistung gehen. Kernaufgabe der Betriebe ist die Abwasserbehandlung, nicht die Energieproduktion.
Aufgrund der Kosten haben die Betreiber eine hohe Eigenmotivation, die auf Kläranlagen vorhandenen Potenziale zur Erzeugung erneuerbarer Energie zu heben. Eine gesetzliche Vorgabe, Energieneutralität auf der jeweiligen Anlage zu erreichen, ist nicht erforderlich. Die Anlagenbetreiber sollten neuen Verpflichtungen zum Klimaschutz hier mit mehr Flexibilität nachkommen können, z.B. durch den Ausbau von erneuerbaren Energien an anderem Ort.
EU-weite einheitliche Regelungen
Mit der Novellierung der Kommunalabwasserrichtlinie erhöht die EU die Mindestanforderungen an die Abwasserbehandlung in den Mitgliedstaaten deutlich. Im Fokus muss jetzt die EU-weit einheitliche Umsetzung stehen. Aktuell bestehen bei der Abwasserbehandlung in den Mitgliedstaaten trotz der seit 1991 in Kraft befindlichen Kommunalabwasserrichtlinie erhebliche Unterschiede. Die Mindestanforderungen müssen in allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden, Deutschland muss jetzt seine nationalen Verschärfungen aufgeben. Dies gilt besonders für die schärfere Messmethodik bei der Überwachung der europarechtlichen Vorgaben, bei denen Deutschland aktuell durch die qualifizierte Stichprobe bzw. die 2-Stunden-Mischprobe für Phosphor und Stickstoff deutlich strengere Anforderungen erhebt als andere Mitgliedstaaten mit der europarechtlich vorgesehenen 24-Stunden-Mischprobe.
DWA-Stellungnahme zur Novellierung der Kommunalabwasserrichtlinie: DWA Stellungnahmen
Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.